und ein Ende der Lieferungen ist nicht in Sicht. Berlin möchte jetzt nachverhandeln. Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerät in die Kritik.
Der Überschuss an Corona-Impfdosen in Deutschland nimmt immer größere Ausmaße an – und zwingt die Bundesregierung zum Handeln. Vereinbarungen über bestellte Impfstoffe sollen widerrufen werden. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums befanden sich im Zentrallager des Bundes am 19. Dezember rund 151 Millionen Dosen – davon allein 96 Millionen des deutschen Unternehmens Biontech. Dies ist ein vorläufiger neuer Höchststand – und der Bestand wird wohl weiter anwachsen.
Grund sind weitere Verpflichtungen zur Abnahme von rund 130 Millionen Dosen, die gemäß den Vereinbarungen mit den Herstellern bis Ende kommenden Jahres geliefert werden sollen. Allein Biontech wird 2023 nach aktuellem Stand weitere 92,4 Millionen übergeben. Der letzte Vertrag mit den Pharmafirmen werde Anfang 2024 auslaufen, teilte das Gesundheitsministerium WELT AM SONNTAG mit. „Aus Gründen der Vertraulichkeit“ werde nicht genannt, wann die Verträge mit den einzelnen Impfstoffherstellern auslaufen, so das Ministerium.
Auch bei den Kosten hüllt sich der Bund in Schweigen. Bekannt ist das Preisniveau auf europäischer Ebene: Schätzungen zufolge hatte der größte Impfstoff-Deal – geschlossen von der EU mit Pfizer – ein Volumen von 35 Milliarden Euro. Dafür sicherte sich die EU im Frühjahr 2021 1,8 Milliarden Dosen. „Ich gehe davon aus, dass der Bundesgesundheitsminister alle Hebel in Bewegung setzt, um die bereits bestellten Impfstoffe wieder abzubestellen“, sagte der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki dieser Zeitung. „Für diese Aufgabe wünsche ich ihm viel Glück und Erfolg.“ Es stelle sich die Frage, warum der Impfstoff überhaupt in einem solchen Umfange bestellt wurde: „Schließlich reden wir hier über Milliardenbeträge, die den Steuerzahler belasten.“ Man habe es erneut mit einer „unglaublichen Fehlkalkulation“ des Ministeriums zu tun.
Sofern sich die Corona-Situation nicht grundlegend verschlechtert, wird ein Großteil der bis Ende 2023 verfügbaren rund 280 Millionen Impfdosen in Deutschland verfallen. Daher dringt Berlin nun darauf, die Verträge mit den Pharmafirmen nachträglich anzupassen. Die Bundesregierung stehe diesbezüglich im Austausch mit der EU-Kommission und den Impfstoffherstellern, erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Nachfrage: Basis der Verhandlungen sei „das Prinzip von Treu und Glauben“. Nach diesem Rechtsgrundsatz nimmt ein Vertragspartner Rücksicht auf die berechtigten Interessen des anderen.
Das Ministerium argumentiert, dass sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zwischen heute und dem Zeitpunkt der Vertragsschließung „fundamental geändert“ hätten. „Der Krieg in der Ukraine, die hohen Energiepreise und die starke Inflation haben die budgetären Restriktionen in den Mitgliedstaaten verschärft“, heißt es. Gleichzeitig bestehe mittlerweile „eine hohe Immunität in der Bevölkerung“.
Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, sagte, die Nachverhandlungen seien „eine gute Nachricht: Die Bundesregierung macht sich kritische Gedanken über Tauglichkeit und Richtigkeit eines Vorgangs – um längst bestellte Impfstoffmengen einerseits und die aktuelle Nachfrage andererseits.“ Schließlich gehe es darum, auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu achten.
Kritik kommt aus der Union. „Vor einem Jahr stürzte sich Minister Lauterbach in einen milliardenschweren Impfstoff-Kaufrausch, der bis heute beispiellos ist“, sagte der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge: „Damals sprach er von einem angeblichen Impfstoffmangel, der bis heute nie eingetreten ist. Im Gegenteil.“ Lauterbach habe Impfraten prognostiziert, „die fernab der Realität lagen und nie erreicht wurden“. Nun müsse – zu enormen Kosten – massenhaft Impfstoff vernichtet werden. Die SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens verteidigte das Vorgehen. Ziel sei es gewesen, „allen Impfwilligen in Deutschland eine Corona-Impfung zu ermöglichen“. Der Erfolg dieser Strategie spiegele sich in der hohen Bevölkerungsimmunität wider. Eine Vorhersage über den Pandemieverlauf sei „schlicht nicht möglich“ gewesen. Baehrens erklärte weiter: „Ein Impfdosenüberschuss wurde vorsorglich in Kauf genommen.“
Kommentare
Haben sich vermutlich jetzt alle genug die Taschen vollgestopft, und da sich selbst im letzten Winkel jetzt herumgesprochen hat, dass die Impfung nicht schützt wird man noch "Reste" mitnehmen und für die nicht mehr abgenommenen Chargen eine "Abfindung" in Milliardenhöhe zahlen. Ich liebe es, wenn ein Land - wie das unsere - von sich behauptet eine gute Demokratie zu sein, Brandmauern gegen Leute errichtet, die eine andere Meinung haben und so ehrliche und aufrichtige Politik zum Wohle der Bevölkerung machen. Das kann man wahrlich nicht von vielen Ländern behaupten!
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Ist doch nur Geld. Erhöhen wir halt die Sozialabgaben oder Steuern, dann passt es wieder.
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Wenn aus Vertraulichkeitsgründen keine Auskünfte erteilt werden, dann sollten immer die Alarmglocken schrillen. Ich meine einmal, dass generell der Steuerzahler das Recht dazu hat, zu wissen, was mit den Steuern bezahlt wird. Was ist eigentlich aus den Bestellungen vom Sputnik Impfstoff von Frau Schwesig geworden ?
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus242959409/Corona-Impfstoffe-Zu-viele-Dosen-Milliardenkosten-Regierung-will-Impfdeal-aufheben.html?fbclid=IwAR21nHijc4PACdKDm_csnaIfn3EKWns__QD525f42ERWPBgqowtTu9upOq0
Mari Horn